Die Rettung der EWSD

Bei einem hier nicht öffentlich genannten Stadtnetzbetreiber in Deutschland wird derzeit eine EWSD ausser Betrieb genommen. Es hat sich eine Interessengruppe gebildet, die diese EWSD dokumentieren und erhalten möchte.

Dies ist umso wichtiger, nachdem anscheinend kein Kommunikationsmuseum oder Technikmuseum der Welt bisher eine lauffähige EWSD hat.

am 2.+3.8. sind jolly, nibbler und ich bei der EWSD vor Ort, um eine erste Bestandsaufnahme/Dokumentation anzufertigen. Also sowas w ie

  • welche Baugruppen sind dort wie/wo in Gestellen verbaut
  • welche Verschaltung (soweit erkennbar) existiert zwischen den Baugruppen
  • welche Baugruppen sind im Ersatzteillager

Die EWSD ist bis 31.7. noch produktiv im Betrieb, und der letzte Kunde ist sozusagen gerade 2 Tage vor unserem Eintreffen von der Anlage runter.

Wir wollen darüberhinaus backups von den SCSI-Platten in der EWSD und soweit möglich auch von den Platten in den Bedienrechnern machen.

Eine kleine Anmerkung zum Laufwerk der Anlage (falls bereits ein CP113 verbaut ist) kann es sein,
dass die Anlage bereits mit einer IOP:UNI3 Baugruppe bootet und damit von SD, SATA oder USB.
Falls sie noch von MO bootet(Tape sicher nicht mehr^^) kann ich euch gerne zwei IOP:UNI3 für die Anlage geben.

CP113 Gestellrahmen mit IOP und MB Modulen sowie unten die CPU, Memory (darunter ist gespiegelt noch ein weiterer, redundanter CPU Satz:

Viele Grüße
tec

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Hallo tec,

danke fuer Deine Hinweise. Leider wissen wir vor unserem Besuch vor Ort keine Details zu den Versionen / Generationen der Baugruppen und damit auch nichts zu den konkreten Datentraegertechnologien. Tape-Laufwerk ist wohl definitiv noch vorhanden, wurde aber dem vernehmen nach fuer Abrechnungsdaten benutzt, nicht fuer Software-Load.

Vielleicht haettest Du die naechsten Tage (also bevor wir am Mittwoch die EWSD besuchen) noch Zeit fuer einen Call mit @jolly und/oder mir? Falls ja, bitte um Rueckmeldung via jabber, twitter oder hier als private nachricht, am besten mit Terminvorschlag. Danke!

Ich vermute, dass schon ein CP113 verbaut ist. Selbst bei der Telekom und bei T-Mobile wurden die CP103 bis Anfang der 2000er Jahre gegen CP113 getauscht. Vermutlich hat Siemens dann auch keine Software mehr für die alten CP erstellt.

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In der Tat, auch basierend auf den Manuals, die mir vorliegen, sollte es CP113C oder CP113D sein. Dort steht allerdings drin, dass der IOP:MDD (Magnetic Disk Drive) ein IF:MDD benutzt, und das ein SCSI-Interface benutzt. Vielleicht ist die Dokumentation nicht ganz auf dem Stand.

Ich fand in der EWSD Doku fuer V12 Hinweise auf HP C2490A oder Quantum XP34550S als Plattentyp. In der Siemens-Doku hierzu steht dann drin

  • single-ended SCSI-2
  • Terminierung in der Platte ist aktiv, wenn IOPMDD verwendet wird
  • Terminierung in der Platte ist nicht aktiv, wenn IOPUNI verwendet wird
    • dann centronics-Stecker und externer terminator (leider nicht spezifiziert welcher, da gabs ja auch einige bei SCSI)
  • alle 3 UNIT SELECT jumper nicht gesteckt, d.h. unit id 0
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ach jetzt kapiere ich es. IOP:UNI3 ist das interface fuer die modernen Datentraeger. Ich finde hierzu keine Referenz in der vorhandenen Dokumentation, d.h. ich gehe mal klassisch von SCSI aus. Ich bringe dafuer Equipment mit, und ebenfalls eine USB-SATA-Adapter. SD und USB kann mein laptop sowieso nativ.

Ich vermute auch, dass eher eine CP113D verbaut ist, im Zweifel hätte ich eine.

IOP:UNI3 ist genaut das, es wandelt moderne Datenträger auf SCSI zur Backplane (war glaub ein FPGA mit auf dem PCB.
Auf der Baugruppe ist ein SATA Slot für 2.5", sowie vorne an der Karte ein eSATA, USB sowie SD-Slot.
Ethernet ist ebenfalls zur Backplane vorhanden.

So, @jolly und ich haben heute den ersten Tag mit der Anlage verbracht und vieles dokumentiert, gesichert, …

Zunaechst: Es ist ein CP113C mit IOP:UNI und SCSI-Platten sowie MO-Laufwerk.

Die eine 15GB platte konnten wir mittles eines alten Laptops und PCMCIA-SCSI-Adapter problemlos mit dd roh sichern (ca. 6h). Bei den vorhandenen MO-Medien haben wir mit entsrprechenden dumps angefangen, und werden morgen weitermachen.

Die 8 Gestell-Schraenke sind erstaunlich leer. Hat man vermutlich damals so gebaut um Platz fuer Erweiterungen zu haben. Wenn man das alles “defragmentiert” passt die komplette Anlage sicher in 4 Gestelle, ohne dass man irgndetwas weglaesst.

Wir haben

  • die genaue Lage aller Baugruppentraeger und Baugruppen dokumentiert
  • die Baugruppentraeger mit Labels vesehen, an welcher Position in welchem Rack sie original waren
  • versucht die Kabelbeschriftungs-Systematik zu durchschauen
  • einen in der EWSD befindlichen (defekten) DELL-PC versucht in betrieb zu nehmen (defekt, SATA-Platten muessen geprueft werden)
  • geprueft, ob der ueber X.21 mit der EWSD verbundene Windows-Server mit dem EWSD Network Manager noch ueber X.25 mit der EWSD spricht (tut er)
  • alles fotografiert, was es zu fotografieren gab
  • Fotos der Ersatzteilbestaende gemacht
  • Gedanken ueber Demontage/Transport der Gestelle gemacht
  • die o.g. Dumps der Massenspeicher angefertigt.
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Woooow, bin begeistert!
Einfach toll!

Ich bin schwer begeistert, vielen Dank auch für die Mitteilung des Zwischenstands!

Falls der Transport sozusagen in Eigenleistung erfolgen soll und es dienlich wäre, wenn man etwas größeres bewegen kann als einen 7,5t-LKW: Ich könnte meinen Führerschein CE anbieten.

Wir denken, dass man die EWSD auf 4 Gestelle reduzieren kann, und trotzdem alles gedoppelt/redundant bleibt. Der Plan ist dann, diese 4 Gestelle bei @jolly zu Hause im 1. OG aufzubauen.

Groesster Aufwand ist sicher der Rueckbau und Wiederaufbau der ganzen Verkabelung. Es sind ja hunderte Kabel an den Backplanes jedes Gestells, und die gehen derzeit alle in einen sehr hohen/voluminoesen doppelten Fussboden, von wo sie dann zu anderen Gestellen wieder hochkommen. So wie es aussieht zumindest teilweise mit eingem aufgewickelten Kabel, da die mutmasslich vorkonfektioniert gekauft und “deutlich zu lang” geliefert wurden.

@jolly ist zuversichtlich, dass das alles in einen 7.5tonner passt. Ich kann das schwer abschaetzen, aber das ist im wesentlichen seine Planung.

Uebrigens: Original waren fast alle Steckverbinder mit Nummer des Baugruppentraegers im Gestell, und position innerhalb des Baugruppentraegers beschriftet. Jene,die es nicht waren, haben wir nachgelablt.

Was bei der Original-Kabelbescriftung allerdings fehlt ist eine Angabe zu welchem Gestell der Steckverbinder gehoert. Hier haben wir (bis das label-tape aufgebraucht war) nachbeschriftet:

  • Original-Label auf dem Steckverbinder (z.B. 03C101P1) sagt “Baugruppentraeger 03, Zeile/Abschnitt C, Baugruppenposition 101, oberste Reihe P1”
  • Unser Label auf dem Kabel (z.B. 01/03) sagt "Gestell 01, Baugruppentraeger-ID 03)

Aus der Kombination beider Label ergibt sich dann die eindeutige Zuordnung, wo das Kabel gesteckt war.

Der generelle Zeitplan sieht vor, dass jetzt bis Mitte/Ende September erstmal nichts weiter passiert, und dann ein Termin fue den Abbau festgelegt wird.

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Wow, echt super das zu hören!
Hat die Anlage eine eigene DC Versorgung, oder wird sie von der Gebäude Infrastruktur versorgt?
Im Zweifel hätte ich noch drei originale Siemens Umrichter von 3 Phasen auf 48/60V DC.

Die EWSD wurde bislang von Gebaeude-56V versorgt. @jolly hat ein paar (parallel schaltbare) 48-60V / 25A Netzteile, und will es dann zumindest erstmal damit versuchen.

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Hier ein paar Fotos vom SCSI-Dumping:

Das Multimeter hatten wir, um vor dem Verbinden zu pruefne, ob es Probleme mit dem GND-Bezug gibt. Haette ja sein koennen, dass mein Laptop-Netzteil PE/primaer mit GND/sekundaer verbindet (machen manche Netzteile leider), und bei der EWSD die Masse (eingeschleift ueber SCSI) auf anderem Potential liegt. War aber alles OK.

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Sehr schöne “Luftaufnahmen” :rofl:

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Hier noch ein paar Bilder fuer diejenigen, die eine EWSD noch nie so nah kennengelernt haben.

Hier zunaechst ein paar Bilder der Verkabelung hinten (sicher das komplizierteste, diese hunderte Kabel pro Gestell abzunehmen, zu entheddern, aufzurollen und dann am neuen Standort wieder aufzubauen)


Interessant auch die EMV-Massnahmen mit den Klammern der Abschirmung beim Eintritt der Kabel in den Schrank:

Zum in der Anlage verbauten 5.25" MO (Magnetooptischen) Laufwerk das passende Reinigungskit - natuerlich mit Siemens-Ersatzteilnummer :wink:

Auch nett: der “EWSD auf Molex Stromstecker Adapter” zum Anschluss von Festplatten und MO-Laufwerken:

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Und natuerlich:

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Schöne Aufnahmen. Da kommen alte Erinnerungen wieder hoch. Sind in den Kartons noch die EWSD Ersatzbaugruppen? Bei DBP / Telekom wurden EWSD Ersatzbaugruppen in speziellen Metallschränken mit Erdung gelagert, in denen die Baugruppen - wie im Rack - in die Kunststoffschienen eingeschoben wurden. Die EWSD-Kollegen waren immer total entsetzt, wenn sie ins “S12-Baugruppenlager” kamen. Hier lagen die Ersatzbaugruppen einfach in den Kartons in Metallregalen ohne Erdung usw.
Die Verkabelung der Festplatten und MO-Laufwerke mit Stromversorgung und SCSI-Bus war übrigens bei S12 ganz ähnlich aufgebaut.

Hallo Juergen,

Ja, da sind Ersatzbaugruppen, die @jolly ebenfalls uebernimmt. Es waren in einem Lager auch noch zwei weitere EWSD-Baugruppentraeger mit Baugruppen Der Plan ist, den Inhalt der oft leeren 8 Gestelle in 4 Gestelle zu konsolidieren. welche dann bei ihm aufgebaut werden. Die leeren 4 anderen Gestelle/Schraenke mit den schicken Edelstahltueren uebernimmt eine weitere Person aus unserer Gruppe.

Demontage/Transport wird Ende September sein.

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